Soziale Umverteilung auf brauner Hefe
Bundesregierung führt Elterngeld ein
Von
Dietmar Henning
13. Mai 2006
Bisher wurde unter "Eliteförderung" der Bau von Eliteuniversitäten
und Privatschulen für Privilegierte verstanden. Mit der Einführung
eines Elterngeldes hat Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU)
diesem Begriff eine ganz neue Bedeutung verliehen: In Zukunft wird die
privilegierte "Elite" von der Wiege an gefördert.
An die Stelle
des Erziehungsgeldes, das vorwiegend einkommensschwachen Familien zugute
kam, tritt das Elterngeld, das umso höher ausfällt, je wohlhabender die
betroffene Familie ist. Der steuerzahlende Normalverdiener wird
zukünftig den Nachwuchs der Oberschicht subventionieren. Je höher der
soziale Status der Eltern, desto mehr ist ein Kind dem Staat wert. Trotz
anders lautender Behauptungen der zuständigen Ministerin dient das neue
Gesetz nicht der Familienförderung, sondern der sozialen Auslese.
Akademiker sollen wieder mehr Kinder kriegen, lautet seine erklärte
Absicht.
Die Große Koalition in Berlin beschloss vergangene Woche
die Einführung des Elterngeldes schon ab Januar 2007. Für Kinder, die
dann geboren werden, erhält der erziehende Elternteil zwölf Monate lang
zwei Drittel (67 Prozent) des bisherigen Nettoerwerbseinkommens. Der
Höchstsatz beträgt 1.800 Euro netto, der Mindestbetrag 300 Euro.
Wechseln
Vater und Mutter sich bei der Kinderbetreuung mindestens zwei Monate
lang ab, verlängert sich die Bezugszeit um zwei weitere Monate. Für
Arbeitslose gilt diese Regelung allerdings nicht, sie erhalten
grundsätzlich nur zwölf Monate das Elterngeld.
Die neue Regelung
stellt eine bedeutende Verschlechterung bei Armen, Gering- und
Normalverdienern und eine umso größere Besserstellung für die Gut- und
Besserverdienenden dar.
Bislang erhalten einkommensschwache oder
arbeitslose Familien für 24 Monate Erziehungsgeld in Höhe von 300 Euro
pro Monat. Es wird nun durch das Elterngeld in gleicher Höhe ersetzt,
das aber nur zwölf, bzw. 14 Monate ausbezahlt wird. Die staatliche
Unterstützung wird damit um die Hälfte gekürzt. Laut einem Bericht der
Financial Times Deutschland
sind davon rund 340.000 Familien betroffen. Die CDU hatte ursprünglich
sogar gefordert, das Elterngeld auf das Arbeitslosengeld II (Hartz IV)
anzurechnen, den Ärmsten also faktisch jegliche Unterstützung
vorzuenthalten.
Reiche Familien, die bisher kein Erziehungsgeld
bezogen, kassieren in Zukunft monatlich 1.800 Euro Elterngeld, in zwölf
Monaten also insgesamt 21.600 Euro.
Die zwei Bonusmonate für die
wechselnde Kinderbetreuung hatten innerhalb der CDU/CSU heftige
Auseinandersetzungen ausgelöst. Das Vorhaben, auch die Väter in die
Erziehung einzubinden, stieß unter konservativen Unions-Politikern, nach
deren Ansicht die Frau an Heim und Herd gehört, auf Widerstand.
Verdeckt wurde dies mit vordergründigen Argumenten. Man dürfe den
Familien ihre Lebensweise nicht vorschreiben, erklärte beispielsweise
der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).
Schließlich
einigte man sich auf einen "Kompromiss". Anstatt, wie ursprünglich
geplant, von der zwölfmonatigen Bezugsdauer zwei Monate abzuziehen, wenn
sich nicht beide Partner an der Erziehung beteiligen, werden nun zwei
Monate als Bonus draufgeschlagen, wenn die Erziehung geteilt wird.
Dies
scheint allerdings bereits wieder Makulatur zu sein. Ein
Referentenentwurf aus dem Ministerium von der Leyens sieht vor, dass "in
Ausnahmefällen" ein Elternteil allein den Anspruch auf 14 Monate
Elterngeld erwirken kann. Nämlich dann, wenn ein Betreuungswechsel von
der Mutter zum Vater das "Kindeswohl gefährden" würde. Die Juristen und
Ärzte der Besserverdienenden werden es gewiss verstehen, entsprechende
Gutachten zu erstellen.
Die SPD trägt diese soziale Auslese nicht
nur mit, sondern beansprucht sogar, die eigentliche Urheberin zu sein.
In der Tat geht das Elterngeld auf Renate Schmidt (SPD), die
Familienministerin der rot-grünen Bundesregierung zurück. Sie kündigte
die Einführung eines Elterngeldes bereits im letzten Jahr an. Nun
erklären SPD - und die Presse - viele Details seien "Kompromisse auf
Druck der SPD". So wird zum Beispiel die Zahlung der 300 Euro Elterngeld
auch an Langzeitarbeitslose von der SPD als "Erfolg" verkauft. Dass
diese im zweiten Jahr nichts mehr erhalten, wird nicht erwähnt.
Tatsächlich
bedeutet das neue Elterngeld eine gewaltige Umverteilung von unten nach
oben. Die Bundesregierung rechnet mit jährlichen Mehrkosten von 3,5 bis
4 Milliarden Euro pro Jahr. Sie wird sie sich durch weiteren
Sozialabbau bei den Bedürftigen wieder reinholen.
Elitäre Verachtung für die Armen gepaart mit brauner Ideologie
Abstoßend
ist das neue Elterngeld nicht nur wegen der gesellschaftlichen
Umverteilung von mehreren Milliarden Euro im Jahr, sondern auch wegen
der sozialpolitischen Vorstellungen, die ihr zugrunde liegen.
Vorbereitet
wurde es durch eine Kampagne, wonach die Deutschen aussterben, wenn die
Geburtenrate in Deutschland nicht steigt. Untersuchungen verweisen
ferner darauf, dass die Geburtenrate unter bildungsferneren Schichten
höher sei als bei Akademikerinnen. So verweist das
Bundesfamilienministerium in einer Veröffentlichung zum Elterngeld
darauf, dass Frauen mit höherem Bildungsabschluss zwischen 30 und 39 nur
durchschnittlich 1,1 Kinder zur Welt bringen, Frauen gleichen Alters
aus den niedrigeren Bildungsschichten dagegen 1,5.
Bringt man
dann auch noch die Nationalität ins Spiel - in Deutschland befindet sich
unter den bildungsfernen Schichten ein hoher Anteil an Ausländern -,
erhält man ein übel riechendes Gemisch aus dünkelhaftem Nationalismus
und Rassismus, das ungute Erinnerungen an die Nazi-Zeit und ihre
Kampagnen erinnert, mehr Kinder zu gebären.
Dass das Elterngeld
unter Familienministerin Ursula von der Leyen eingeführt wird, ist dabei
kein Zufall. Seit Wochen und Monaten wird sie von der Presse als
Everybody’s Darling aufgebaut - als immer lächelnde, erfolgreiche
Ärztin, Mutter von sieben Kindern, Hausfrau, Politikerin und Ministerin.
Ursula
von der Leyen ist aber vor allem Christdemokratin aus vornehmem Hause.
Sie hat nicht nur selbst sieben Kinder, sondern ist auch in einer
Familie mit sieben Kindern groß geworden. Ihr Vater ist Ernst Albrecht,
von 1976 bis 1990 CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen.
Albrecht
ist der Ur-Ur-Enkel des reichen Bremer Kaufmanns und Unternehmers
Ludwig Knoop. Mitte des 19. Jahrhunderts stieg Knoop durch den Aufbau
von Spinnereien, Färbereien und Druckereien in Russland zu einem der
reichsten norddeutschen Industriellen auf. 1877 verlieh ihm Zar
Alexander II. den Titel des Barons. In Knoops Landsitz Schloss Mühlental
gingen Fürsten, Prinzen und auch der preußische General Graf von Moltke
ein und aus.
Diesen Lebensstil imitierte auch Ernst Albrecht.
Als Ministerpräsident Niedersachsens umgab er sich gern mit Prinzen und
Fürsten (u. a. Ernst-August Prinz von Hannover, Fürst Philipp Ernst zu
Schaumburg-Lippe) sowie Monarchen aus aller Herren Länder (z. B. König
Hussein und Königin Nur Al-Hussein aus Jordanien). Auch das Land
regierte er wie ein Alleinherrscher. Die Presse nannte ihn abwechselnd
"absoluter Herrscher des Leineschlosses", "Harun Al Albrecht" und
"Philosoph auf dem Welfenthron".
Die euphemistische Bezeichnung
"Philosoph" entspringt einem Buch, das Albrecht 1976 im
nationalkonservativen Seewald-Verlag publizierte,
Der Staat - Idee und Wirklichkeit, Grundzüge einer Staatsphilosophie.
Er gibt darin seine Verachtung für demokratische Regeln und die breite
Masse der Bevölkerung sowie seine Vorliebe für alttestamentarische
Herrschaftsformen zum Besten.
"Macht in den Händen eines Mannes
von hohem sittlichem Niveau vermag unendlichen Segen zu stiften",
schreibt Albrecht. Denn: "Ein Mann mit Gott ist eine Majorität." Und:
"Wenn es gelingt überdurchschnittliche Menschen an die Herrschaft zu
bringen, so vermögen Alleinherrschaft und Wenigenherrschaft eine bessere
Ordnung zu errichten als die Volksherrschaft."
"Die
Volksherrschaft", schnaubt Albrecht, "vor allem die unmittelbare, ist
wesensmäßig so geartet, dass die Entscheidung nicht durch die Einsicht
der Einsichtigen, sondern durch das durchschnittliche Maß an Einsicht
bestimmt wird, das der Mehrheit eignet." Sowieso sei "der Massenmensch
ohne rechte Seinsmitte", meinte der spätere Ministerpräsident erkannt zu
haben. "Er erscheint deshalb blass, farblos, ja im geistigen Sinne
gestaltlos."
Diese Herren-Mentalität paarte sich innerhalb der
niedersächsischen CDU mit nationalsozialistischem Gedankengut. Die
niedersächsische CDU hatte nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich daran
gearbeitet, die Mitglieder der neofaschistischen Deutschen Reichspartei
und Sozialistischen Reichspartei sowie der national-konservativen
Deutschen Partei in die CDU zu integrieren.
Am 15. Januar 1976
wurde Ernst Albrecht als Oppositionskandidat überraschend zum
Ministerpräsidenten gewählt. Eigentlich sollte der damalige
Finanzminister Helmut Kasimier (SPD) als Nachfolger des aus
Altersgründen zurückgetretenen Ministerpräsidenten Alfred Kubel (SPD)
gewählt werden. Doch einige Landtagsabgeordnete aus der Koalition von
SPD und FDP verweigerten Kasimier die Stimme. Am Abend traf sich dann
die Führung der CDU im Central-Hotel in Hannover, um gemeinsam mit dem
langjährigen NPD-Vorsitzenden Adolf von Thadden Albrechts Wahl zu
feiern.
1979 setzte die niedersächsische CDU zur ersten
Europawahl auf ihren Kandidaten Hans Edgar Jahn. Dieser hatte sich durch
ein 1943 erschienenes europapolitisches Buch für diesen Posten
qualifiziert, mit dem Titel "Der Steppensturm - Der
jüdisch-bolschewistische Imperialismus". Darin prophezeit er die
endgültige Zerschlagung des Judentums und die Sammlung der "germanischen
Völker" um einen Herd. "Noch nach Jahrtausenden aber wird die
Menschheit und vor allem die Jugend mit Achtung und Ehrfurcht einen
Namen nennen: Adolf Hitler."
1976 machte Albrecht ein ähnliches
Kaliber gar zum Justizminister: Hans Puvogel. Dieser trat in seiner
Amtszeit vor allem gegen den Gedanken eines liberaleren Strafvollzugs
und die Idee der Resozialisierung auf. In seiner Doktorarbeit von
1935/36 hatte Puvogel die Gründe für seine Haltung dargelegt. Er schrieb
von "Vererbung krimineller Neigungen", von "anlagebedingten
Verbrechern" und von "minderwertigen Menschen", die "aus der
Gemeinschaft ausgeschieden werden müssten". "Nur ein rassisch wertvoller
Mensch" habe "innerhalb der Volksgemeinschaft eine
Daseinsberechtigung".
Wo immer sie konnte hofierte die
Landesregierung unter Ernst Albrecht Alt-Nazis. Wilfried Hasselmann
(CDU), stellvertretender Ministerpräsident, bescheinigte 1978 der
"Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger", einer Vereinigung von alten
Wehrmachtsoffizieren und SS-Männern, in einem Grußwort, dass sie "Mut
gezeigt und anderen ein Vorbild gegeben" haben. Hasselmann sei "tief
beeindruckt vom Zusammenhalt ihrer Ordensgemeinschaft. Sie haben in
vorbildlicher Weise als Soldaten ihre Pflicht erfüllt. Das bleibt gültig
für eine nachwachsende Generation."
Da ist es nicht
verwunderlich, dass die niedersächsische CDU unter Albrecht regelmäßig
gegen die nach dem Zweiten Weltkrieg festgelegte Oder-Neiße-Grenze
zwischen der DDR und Polen polemisierte.
Umso verbissener ging
die Albrecht-Regierung gegen protestierende Studenten und die damals
aufstrebende Anti-Atomkraft-Bewegung vor. In diesem Zusammenhang war
Ernst Albrecht mit "seinen" Richtern nicht immer zufrieden: "Die Richter
sollten mal darüber nachdenken, was mir aufgefallen ist: Nur an den
Orten ist der Bau von Kernkraftwerken durch Gerichtsbeschlüsse
blockiert, wo die Straße angegriffen hat."
In der Landtagswahl
von 1990 wurde Albrecht schließlich durch seinen Herausforderer Gerhard
Schröder (SPD) als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen abgelöst.
Albrechts
Tochter Ursula, damals 31 Jahre alt, empfand die Abwahl ihres Vaters
durch das Wahlvolk als einen üblen Affront der Straße. "Schweinerei, so
nicht, dachten wir Kinder und sind in die CDU eingetreten", sagte sie
einmal der Presse. Ihr Vater sei ihr heute "ein wunderbarer Ratgeber".
Beide vereine eine gemeinsame Grundüberzeugung, die geprägt sei von
einem christlichen Menschen- und traditionellem Familienbild, von
ehrenamtlichem Engagement und der Haltung, dass jeder seines Glückes
Schmied sei und der Staat nicht alles regeln kann und soll. (
Tageszeitung, 3. März 2003)
Ihr
christliches Menschenbild hat die Bundesfamilienministerin auch in
ihrem "Bündnis für Erziehung" demonstriert, das sie Ende April ausrief.
Gemeinsam mit der evangelischen und katholischen Kirche wolle sie "Werte
in der Kindererziehung" neu definieren. Muslimische, jüdische Verbände
oder gar Wohlfahrtsverbände und kommunale Träger von Kindergärten,
Schulen und Jugendzentren waren bei der ersten Sitzung des Bündnisses
nicht geladen. "So wie man die eigene Muttersprache lernt, müssen wir
erst unsere eigene Position klären, damit wir uns später für andere
Religionen öffnen können", rechtfertigte von der Leyen ihre
Entscheidung.
"Unsere gesamte Kultur gründet sich auf der
christlichen Kultur", behauptet von der Leyen. "Die ersten 19 Artikel
unseres Grundgesetzes fassen doch im Prinzip die zehn Gebote zusammen",
sagt sie. Man möchte ihr zurufen: "Du sollst nicht lügen!"
Haben diese Menschen nichts von der Vergangenheit der Heimkinder gelernt? Bibeltreue Christen sind gefährlich
Von der Leyen polarisiert in Wirklichkeit ist sie selbst durch Ihre Eltern traumatisiert worden
Uschi denk mal über die Gespräche in Münster nach.